Es war ein kalter Novembertag. Die klirrende Kälte vereiste beinahe sein Gesicht, indem zeit seines Lebens ein Schnauzbart wohnte. Er war ein einfacher Schreiner und lebte in einer von seinem Vater selbst errichteten Hütte, inmitten der Wälder dieses Tals. Nie hatte er an einem anderen Ort gelebt. Alles Moderne war ihm vollkommen fremd. Er lebte wie die Menschen früher und vermisste gar nichts aus der modernen Welt. Ab und an verirrte sich ein Kunde in seine Hütte und er besprach dessen Wünsche mit ihm. Einmal im Monat lieferte er seine fertigen Stücke aus und tauschte die Bezahlung gegen das Notwendigste an Nahrung und was das Leben sonst noch erforderte. Jedes Mal, wenn er die graue Betonwüste wieder verlassen, seinen Anhänger an seinem grünen Jeep befestigte und ohne in den Rückspiegel zu blicken, davonfuhr, verlor er das schreckliche Gefühl der Enge. Er war nicht für das Stadtleben gemacht. Wie schon sein Vater vor ihm, in dessen Schuhen er im wahrsten Sinne durchs Leben schritt. Die Stille des Waldes war zu hören, schon als er auf der Landstraße war. Sein Nervenkostüm beruhigte sich und er hatte das Gefühl, wieder atmen zu können. 

Eines musste er heute noch erledigen. Er musste wandern gehen. Seine Füße mussten den Waldboden spüren. Das Knistern, den Tannennadeln, den Geruch des nassen Waldes. Die kühle Atemluft, die eins werden würde mit seinen Lungen. Der Wald war der einzige Ort, an dem er sich lebendig fühlte. Er lud die Materialien ab, die er nicht mehr benötigen würde, und verstaute den Hänger im Schuppen. Sein Hund Oskar wartete mit wedelndem Schwanz bereits hinter der Tür. Das arme Tier musste den halben Tag in der Hütte weilen. In die Stadt nahm er ihn nicht mit. Genug, dass er sich damit abmühen musste. Seinen Hund verschonte er vor dem Gezeter der Stadt. Umso freudiger begrüßte ihn sein einziger Lebensbegleiter nun. 

Die Luft war feucht, und er war froh, seinen schweren Wintermantel aus der Dachstube geholt zu haben. Schwer lastete er auf seinen Schultern, genauso wie seine Gedanken. 

Verloren jeglicher Zivilisation, dafür verbunden mit den Geräuschen des Waldes, zog er einen Fuß vor den anderen los. Sein Vater brachte ihm diese wichtige Regel für Wandersleute bei. »Wenn du nicht mehr kannst oder nicht mehr weiter weißt, setze einen Fuß vor den anderen und du wirst unweigerlich zum Ziel kommen.« Das Leben, so scheint es manchmal, ist eine einzige Wanderung.  

Sein Vater war kein Mann großer Worte. Eigentlich überhaupt keiner Worte. Er erledigte seine Auftragsarbeiten für die reichen Gutsbesitzer des Umlands, brachte genügend Essen auf den Tisch und erzog seinen Sohn so gut es ihm möglich war. Seine Mutter starb bei seiner Geburt und so verbrachte er sein ganzes Leben mit seinem Vater in jener Hütte, die nun Oskar und ihm als Zuhause fernab jeglicher Zivilisation dienten. Hart war er, sein Vater. Aber doch ließ er zur rechten Zeit sein Herz aufblitzen. Und als er gerade die ersten Kilometer zurücklegte — nahm er das feine Messer seines Vaters in die eine Hand und in die andere einen Apfel, den er mit der Präzision eines Chirurgen klein schnitt. In diesem Moment fühlte er sich sehr mit seinem Vater verbunden. Es war sein Messer. Und eigentlich auch sein Leben, was er da lebte. 

Es wurde dunkel. Doch das störte ihn nicht. Diese Wälder waren sein Zuhause, seitdem er denken konnte. Er kannte jeden Pfad, jede Felswand, jedes Bächlein und jedes Reh. 

Tiere verfügen über feine Sensoren, was die Eindringlinge in ihr Revier an Energie mitbringen. Sie mögen keine laute Energie. Niemand, der sie in Gefahr bringen könnte, würde laut denken. Er war so leise, dass die Rehe bis auf wenige Meter an ihn herankamen und einfach weiter fraßen. Er wurde im Laufe der Zeit zu einem Teil der Natur. 

Er musste nachdenken. Es ging auf die Lebensmitte hinzu. Er mochte sein Leben im Wald, seine Arbeit — das Holz war seine Geliebte und sein Seelentröster. In seiner Arbeit drückte er sich aus. Seine Stücke waren von besonderer Qualität, etwas, dass man heute nicht mehr findet. Handgemacht und vor allem mit Zeit gefertigt. Das Leben ist so schnell geworden, dass es auffällt, wenn ein Stück Holz mit Zeit bearbeitet oder ein Apfel aus der Apfelernte die nötige Zeit zum reifen erhält. Man schmeckt es, spürt es, riecht es. 

Und doch fragte er sich, ob es das gewesen sei. Als Einsiedler im Wald. Wie sein Vater. Das einfache Leben machte ihm nichts aus und doch war da etwas in ihm, dass rastlos war — es ließ ihm keine Ruhe. Da bemerkte er zum ersten Mal diese Stimme. Nirgends um ihn herum war jemand zu sehen. Kein Mensch würde um diese Zeit an diesem entlegenen Ort zu finden sein. Er konnte niemanden ausmachen, der Wald war menschenleer. 

Wieder war sie da. Diesmal war es sehr klar. Sein Geist war leer, Worte gebrauchte er heute zur Genüge, bei seinen Lieferungen in der Stadt. Für gewöhnlich dachte er sowie nicht allzu viel nach. Woher kam also diese Stimme in der Stille, wo doch kein Mensch weit und breit zu sehen war? Sie wart von absoluter Klarheit und es lag etwas Unbestechliches in ihr. Ihre Echtheit verwirrte ihn. Nie zuvor hatte er eine solche Stimme gehört. Er besah sich der Umgebung, doch konnte er noch immer niemanden ausmachen. Oskar, sein Hund, blieb neben ihm stehen, blickte an sein Herrchen, Sanftmut in seinem Blick — also wolle er sagen: »Verstehst du nicht?«. Es dauerte noch einen ganzen Augenblick, bis er verstand, dass die Stimme aus seinem eigenen Kopf zu ihm durchdrang. 

»Nun, endlich hast du ausgemacht, woher ich zu dir spreche«. Jetzt war alles laut und deutlich zu hören. »Wer… wer bist du?«, war das Einzige, was er sich inmitten der Stille des Waldes hat selbst laut sagen hören. »Ich bin das, was niemals verschwindet, bin das Unendliche, das Große vom Ganzen«. Verwirrt dachte der Wanderer bei sich, ob er nun den Verstand verlöre. »Nun, im Grunde trifft es das ziemlich gut. Ich bin nur dann zu hören, wenn der Verstand in seinem Winterschlaf ist. Und dein Verstand ist an diesem kalten Novemberabend, wohl recht tief eingeschlafen«, besagte die Stimme in des Wanderers Kopf. 

Und als keine Reaktion kam, erhob sie sich erneut. »Du musst dich nicht vor mir in Acht nehmen. Und deinen Verstand hast du nicht verloren. Ich spreche zu jedem Menschen — vor allem zu jenen, die Fragen haben. Und du verfügst im Moment über allerhand Fragen, die dein Leben betreffen«. Noch immer konnte der Wanderer nichts sagen. Er wusste schon gar nicht, solle er nun im Stillen, leise antworten oder laut durch seinen Mund. Außerdem ging er im Geiste die Optionen durch, die vermuten ließen, selbigen verloren zu haben. 

»So höre mich doch sprechen: Ich bin das, was manche Gott nennen. Andere nennen es das Universum. Ich bin das Schöpferische, das am Anfang war und immer sein wird. Genauso wie du immer sein wirst, mein Sohn«. Der Wanderer stoppte abrupt. Sprach gerade Gott zu ihm? Der Gott? »Ja, wie gesagt. Mancher bezeichnet mich als das in der Welt, in der du lebst. Beachte jedoch, durch wen ich spreche. Bist du nun ein Prophet Gottes? Besitzt du nun eine besondere Stellung?« 

In den Sätzen dessen, der sich als Gott ausgab, lag Humor. Es kann als nichts anderes bezeichnet werden. Als hätte Gott reichlich Freude daran, mit den Gegebenheiten der Welt zu kokettieren, die er selbst geschaffen hat. Endlich traute sich der Wanderer zu antworten. Er tat es laut. Alles andere wäre zu viel für ihn gewesen. Und da im Wald sowieso niemand anderes war, konnte er das auch ruhigen Gewissens tun. 

»Wenn du Gott bist, warum sprichst du dann ausgerechnet zu mir?«, wollte er wissen. »Das habe ich dir bereits gesagt, mein Sohn. Ich spreche zu jeder und jedem, der eine Frage hat. Ich bin immer dar, allgegenwärtig in jedem Augenblick deines Lebens. Ich kenne alle deine Gedanken und Geheimnisse, deine Sehnsüchte, zum Beispiel die nach einem weiblichen Körper oder den Konversationen, die du eigentlich so verabscheust. Tief in deinem Herzen ist ein Wunsch zu Hause, der sich danach sehnt, gesehen und gehört zu werden. Ich habe dich damit ausgestattet, weil ich will, dass du dich ausdrückst und deines Vaters Rückzug verlässt. Niemand ist wie seine Eltern, also sollte man auch nicht das Leben von ihnen weiterleben«. 


Der Wanderer brauchte einen Moment, um all das zu fassen. Er war sich sicher, nicht verrückt zu sein. Zumindest besah sich die Umgebung genauso wie immer. Er konnte Oskar neben sich wahrnehmen und war sich auch sicher, nicht zu träumen. Er hatte sich vorsorglich einige Male in den Handrücken gezwickt und hatte nun einen Bluterguss davon. Was meinte Gott da? Er wüsste, von der Sehnsucht, gehört zu werden? Von einer Sehnsucht nach einer Frau? Das war dem Wanderer bis dahin gänzlich neu. Er liebte doch sein zurückgezogenes Leben im Wald. Oder etwa nicht? Er konnte es nicht leugnen, dass da etwas war, das Gott angeregt hat. Stimmte es etwa, was er sagte? Trotz all seiner Skepsis — schließlich war er kein hoher Priester, weshalb sollte Gott also ausgerechnet zu ihm sprechen? — beschloss er, die Unterhaltung fortzuführen. 

Was hatte er zu verlieren? »Du meinst also etwas in mir festgestellt zu haben, dass sich nach anderen Menschen, einer Frau sehnt?«. »Ja, das meine ich«, sprach Gott. »Kein Mensch ist als Kopie seiner Eltern konzipiert. Jeder hat ein eigenes Potenzial, das es zu ergründen, mehr noch, auszukosten gilt. Es gibt keine höhere Ekstase, als mich in sich zu spüren. Alles, was du jedoch zu spüren vermagst, ist das Leben deines Vaters, der allen Grund hatte, ein derartiges Leben zu führen«. »Welche Sehnsucht sollte ein einfacher Schreiner schon haben? Ich habe alles, was ich brauche. Die Wälder sind mein Zuhause«.

Der Wanderer war stur. Er wollte nicht glauben, was gerade geschah. Und noch weniger, dass er angeblich die Sehnsucht hatte, sich mit anderen Menschen herumzuschlagen. Der seiner Meinung nach, größten Plage. Er hasste jeden Kontakt mit ihnen. Ihre Wünsche waren meist albern, sie machten Witze, die er nicht verstand. Er scheute Berührung und berührte sich noch nicht einmal selbst. »Es gibt Menschen, die gemacht sind, um ihr Leben in einer einsamen Hütte zu leben. Du gehörst nicht dazu, mein Sohn. Du bist nicht geboren, um die Schritte deines Vaters zu gehen. Seine Fußstapfen sind bereits in der Welt verewigt. Es braucht die deinen Fußstapfen. Die meisten Menschen verbürgen sich eines Lebens, das es ihnen nicht erlaubt, Neues zu erfahren. Und doch lebe ich besonders durch euch hindurch, wenn ihr Neues wagt, euch traut, dem Flüstern in eurem Herzen zu folgen, das ich bin«. 

»Und was genau flüsterst du mir nun ins Ohr? Was soll die große Aufgabe sein, die ein einfacher Schreiner, der die Stille des Waldes liebt, haben könnte?«, fragte der Wanderer als er zu einem kleinen Bach kam. Mittlerweile war es finstere Nacht und er wollte seine Trinkflasche noch bis zum Rande füllen, ehe er sich auf den Heimweg machen wollte.

»Deine Bühne ist nicht diese Hütte und dieser Wald. Es ist ein Leben, das geteilt wird. Und eine Kunst, die geteilt wird. Ich würde dir gerne Lehrlinge senden, dir ein schönes Haus schenken, eine wunderbare Frau zur Seite stellen, die einen gutherzigen Mann wie dich verdient hat. Ich möchte sehen, wie du deine eigenen Wege gehst und nicht denen deiner Urväter folgst. Es gibt niemanden, der dein Handwerk noch so versteht, wie du es tust. Also will ich, dass du deine Kunst — denn es wart Kunst im Auge Gottes — mit der Welt teilst. Doch dazu musst du in die Welt. Du musst dich der Welt zeigen. Musst folgen, was dir Freude bereitet. Dein Denken begnügt sich mit dem gewohnten Rahmen, den es kennt. Doch ich könnte kein einziges Wort sprechen, wäre nicht alles davon eine Sehnsucht von dir. Ich kenne dich nun seit deiner Entstehung. Ich habe alles mitbekommen — immer. Ich weiß um deine Sehnsüchte. Und wer ehrlich sich selbst gegenüber ist, erkennt Gottes  Wahrheit als die Seine. Du kannst wählen, ob du alles ignorierst. Du kannst weiterleben, wie bisher. Ich werde dich niemals verurteilen. Aber du selbst wirst es. Du wirst der vergebenen Chance hinterher trauern. Sei nicht töricht, strafe mich lügen. Wenn du mir einen Beweis nennst, dass ich mich irre, so will ich für immer verschwinden und dich in Ruhe lassen. 


Der Wanderer überlegte lange und einträchtig, als er am Bach stand. Seine Flasche voll gefüllt mit köstlichem Quellwasser, das Gespräch mit der Quelle allen Seins am Laufen. 

Er konnte nicht umhin anzuerkennen, dass Gott womöglich recht hatte. Am Ende verdrängte er womöglich seine Sehnsüchte. Und in der Tat liebte er, was er tat, abgesehen von den unsinnigen Wünschen seiner Kundschaft. Die Arbeit mit Holz — in jedem Stück steckte ein Quäntchen von ihm. Es verging kein Tag, an dem ihm langweilig wurde, Holz zu schleifen, abzusägen oder zu trimmen. 

Und dann geschah, was er bei weitem nicht zu erklären vermochte. Auch nicht Jahre später, als er seinen Kindern davon erzählte, als die abends um ein prächtiges Lagerfeuer saßen und gespannt lauschten, wie der Vater von der denkwürdigen Begegnung mit Gott mitten im Wald erzählte. Es war ihm, als brenne sich ein Licht in sein Herz. Mehr noch, es erschien ihm so, als käme es direkt aus seinem Herzen. Nicht von Außen, sondern von Innen. Ein gewaltiges Gefühl machte sich breit. Er würde es einzig als bedeutungsvolle Liebe bezeichnen können. Ein Gefühl, dass er verspürte, wenn er an seine Mutter dachte, obwohl er sie nie kennengelernt hatte. Es war allgegenwärtig und gewaltig. Es umfasste seinen gesamten Körper und erst recht sein Wesen. 

Das Licht verblasste und er befand sich auf einer wunderschönen, grünen Wiese voller bunter Blumen. Es war eine Wiese in den Bergen. Um sich herum tollten zwei Kinder. Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt und ein Mädchen um die fünf. Sie liefen im Kreis um ihn herum und er fing sie ein, schnell wie der Blitz. Sie fielen alle drei mitten in die Wiese und lachten von Herzen. Es war ein Lachen, ein Gefühl, das er noch nie gehört und wahrgenommen hatte. Das Lachen eines Kindes ist das Reinste, was es in dieser Welt gibt. 

Als er sich aufrichtete, sah er sie. Bildschön in einem bunten Sommerkleid. Sie trug eine Brille und eine Blume, die die Kinder gepflückt hatten, klebte an ihrem Ohr. Sie lächelte. Es war das schönste Lächeln, das er je gesehen hat. Und sie lächelte ihn an, mit einem Gefühl, dass er nicht in der Lage war, in Worte zu fassen. Es musste Liebe sein. Mehr noch — Seelenverbundenheit. 

Die Szene wechselte und er trug seine Arbeitskleidung. Nicht die Übliche, Alte, seines Vaters. Sie war neu und trug sich unheimlich bequem. Er war auch nicht in der alten kleinen Halle neben seines Vaters Haus — er war in einer großen, offenen und modernen Halle. Oskar war da, aber er war nicht der Einzige. Zwei Lehrlinge standen an einer langen Maschine und beratschlagten sich über das richtige Maß. Ein Geselle hielt ein spitzwinkliges Dreieck in der Hand und einen großen Bleistift. Er zeigte dem Jungen und dem Mädchen, wie sie den nächsten Schnitt machen mussten. Offensichtlich waren alle drei seine Angestellten. Der Wanderer blickte sich um und entdeckte eine weitere Halle. Es war keine Arbeitshalle, sondern eine Kunstgalerie, in der wunderschöne, hölzerne Kunst ausgestellt war. Außerdem ein großer Arbeitstisch, an welchem wohl Veranstaltungen mit Kunden abgehalten wurden. Verwirrt verstand er nicht, als ein zweiter Geselle etwas von einem wichtigen Auftrag sprach. Die Kunsthalle war seine. Dort stellte er seine wunderbaren Holzwerke aus, über die sogar die lokale Zeitung berichtete. 

Die Szene wechselte und plötzlich war er wieder im Wald. Ohne Orientierung sah er um sich und verstand nicht, was ihm gerade widerfuhr. Da nahm er eine ihm mittlerweile bekannte Stimme war. »Nun sage mir, ob das Leben, welches du gerade gesehen hast, nicht das ist, was du gerne leben würdest, wenn du könntest. Schwöre mir, mein Sohn, dass es das nicht ist, was du möchtest. Aber bevor du das tust, erkläre mir und dir die Tränen in deinen Augen«. 

Der Wanderer war sprachlos. Gott hatte recht. Was er dort gesehen hatte, war alles, was er jemals haben wollte. Eine liebende Frau, zwei wunderbare Kinder, ein gutgehender Betrieb, in dem er sein Handwerk weitervererben konnte — aber auf seine Art. Schließlich noch dieser Kunstraum mit diesen atemberaubend schönen Stücken — wohl von ihm höchstpersönlich gefertigt. Dafür benötigte man eine Menge Zeit und teures Gerät — zwei Dinge, die er in dieser Welt wohl im Überfluss hatte. 

»Ich…«, setzte der Wanderer an, »kann… wie ist das möglich?!«. »Nun, ich habe dir ein anderes Leben gezeigt. Eine andere Lebenslinie. Eine, die für dich vorgesehen ist, für die du dich jedoch entscheiden musst. Denn ich, Gott, tue nichts ohne deinen Wunsch. Dein Leben ist unsere gemeinsame Kunst und ich tue nichts, gegen deinen Willen. Also zeigte ich dir, was vorgesehen sein könnte. Eine unter vielen Möglichkeiten, doch wenn du mich fragst, die mit Abstand Beste. Und so frage ich dich, ist es das, was du als dein Leben fortan möchtest? Bist du bereit, dich aus deinem Wald hervorzuwagen, wenn du all das deinem Leben hinzufügen kannst, was ich dir gezeigt habe?«. »Ja, Gott. Das will ich. Ich will dieser Mann sein und über dieses Leben verfügen«. Plötzlich war ihm alles klar. Er wusste, was er wollte. 

»Dein Wille geschehe. Doch du musst mir eine Sache versprechen: Wann immer ich dich auffordere, etwas zu unternehmen, das Haus zu verlassen, in die Stadt zu fahren oder einen Kunden anzurufen — du wirst es tun in Erinnerung an das Leben, das du gerne leben möchtest. Ich bin Gott, aber ich kann das Leben für dich nicht leben. Ich brauche dich dazu«.

Der Mann versprach und keine zwei Monate später lernte er durch »einen wüsten Zufall« Emilia, seine zukünftige Frau kennen. Sie bezogen ein wunderschönes Haus am Waldrand, gerade mit genügend Zivilisation um sie herum, als dass sie nicht als Einsiedler galten. Alles, was der Wanderer damals im Wald besah — die Werkstatt, seine Kinder, die Kunst — wart plötzlich in seinem Leben. Noch prächtiger als in seiner Vorstellung. 

Er war der glücklichste Mann der Welt und ein gefragtes Mitglied der Gemeinde. 


Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind und der höheren Führung in unserem Leben Vertrauen schenken, ist nichts unmöglich. Es wartet Besseres auf uns, als wir durch unser eigenes Schaffen je bewirken könnten, wenn wir mit der Schöpfung gemeinsame Sache machen. 

Danke fürs Lesen und dass wir den Wanderer gemeinsam lebendig machen konnten. 

Bis zum nächsten Mal, 

Manuel J. Kugler 


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Writing Art by Manuel J. Kugler
Essays und Geschichten über das Leben

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